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Satirezeitung Rote Hand Dezember 1918

Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Schriftgut [2022/0153/039]
https://rlp.museum-digital.de/data/rlp/resources/documents/202203/16103524255.pdf (Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

4-seitige politische Satire-Zeitung

Rote Hand
Führendes Organ für national-anarchistische Gschaftlhuberei
Wegweiser zur Gründung neuer Räte und zur Selbstbetrachtung
Dezember 1918 München 1. Jahrgang

"Fise la Reboublik!" - 2-Stunden-Arbeitstag!
Gründung eines Säuglingsrats.

Was wir wollen.
Wir wollen gar nichts. Wir wollen nur politisieren. Politisieren, auf den Tisch hauen und unsere Meinung zum Ausdruck bringen.
Wir haben auch etwas gelernt. Und wir haben auch eine Meinung. Und wir sehen nicht ein, warum unter 65000000 Meinungen die im Deutschen Reiche kursieren, gerade die unsere unausgesprochen bleiben sollte.
Wir wollen kämpfen! Für was - ist uns ganz wurscht. Aber nur mit dem Wort. Denn wir sind ein Volk von Dichtern und von Denkern.
Dem Tüchtigen freie Bahn - hat Friedrich von Schiller gesagt. Diese Worte haben wir auf unsere schwarzrotgoldene Fahne geschrieben.
Hoch die Revolution!
Wir gehen einer lustigen Zukunft entgegen!
Die Administration der "Roten Hand".
...

Überschriften:
Was wir wollen.
Wer ist schuld? Endlich die Wahrtheit.
Bessere Friedensbedingungen.
Einer gegen den anderen.
Ein Kompromittierter.
Geld und Vaterland.
Gründung eines Säuglingsrates.
Buntes Feuilleton.
Lokales.
2-Stunden-Arbeitstag.
Pressefreiheit
Letzte Nachrichten.
Handelszeitung
Sport am Sonntag.
Wetterbericht.
Amtliche Bekanntmachung.

Gesamten Inhalt siehe Transkript/Abschrift

Material/Technik

Papier / Zweifarbendruck

Maße

Länge: 43,7 cm, Breite: 30,4 cm, Stückzahl: 1, Seitenzahl: 4

Abschrift

Original: Deutsch

Dezember 1918 München 1. Jahrgang. „Fise la Reboublik!" — 2-Stunden-Arbeiistag! Was wir wollen. Wir wollen gar nichts. Wir wollen nur politisieren. Politisieren, aus den Tisch hauen und unsere Meinung zum Ausdruck bringen. Wir haben auch etwas gelernt. Und wir haben auch eine Meinung. Und wir sehen nicht ein, warum unter den 65 000 000 Meinungen die im Deutschen Reiche kursieren, gerade die unsere unausgesprochen bleiben sollte. Wir wollen kämpfen! Für was — ist uns ganz wurscht. Aber nur mit dem Wort. Denn wir sind ein Volk von Dichtern und von Denkern. Tüchtigen freie Bahn —hat Friedrich von Schiller gesagt. Diese Worte haben wir auf unsere schwarzrotgoldene Fahne geschrieben. Hoch die Revolution! Wir gehen einer lustigen Zukunft entgegen! Die Administration der "Roten Hand". Wer ist schuld? Endlich die Wahrheit. Von sehr geschätzter Seite erhalten wir folgende Zuschrift, der wir gern Raum geben, ohne dazu vorerst Stellung zu nehmen. Es ist in letzter Zeit verschiedentlich und viel darüber geschrieben worden, wer die eigentliche Schuld an dem Zusammenbruch des deutschen Reiches trage. Die mannigfachen Ansichten, die hierüber geäußert wurden, gehen soweit auseinander, daß sie in einem Artikel reicht zusammengefaßt werden können. Sie tragen aber alle das charakteristische Merkmal der Einseitigkeit in sich. Die Auseinandersetzungen beweisen, daß bisher nirgends die Volkspsyche eine richtige Würdigung erfahren hat. Aber ohne Kenntnis der Volkspsyche sind Untersuchungen der letzten Kausalitäten eines solchen Ereignisses gar nicht denkbar. Um zu einer diskutablen Erklärung der Ursachen zu gelangen, müssen wir nun den Volkscharakter einem genauen Studium unterziehen. Hierbei bemerken wir gleich, daß der deutsche Bürger einen außerordentlich ausgeprägten Hang für das Wirtshausleben hat, den in den Regierungsmaßnahmen ungenügend zu berücksichtigen oder gar zu ingnorieren, nicht ohne die verderblichen Folgen bleiben kann. Solch gröbliche Verletzung des Volksempfindens und tief einschneidende Eingriffe in seine eingewurzelten Gewohnheiten bedeutete aber die Verkürzung der Polizeistunde, die gleich zu Beginn des Weltkrieges von oben herab diktiert wurde. Die Aussprache der politischen Meinungen, der Austausch und die Klärung der Ueberzeugungen, wie sie bei uns in Deutschland von jeher in weitestem Maße am Biertisch üblich war, das sogenannte, für eine zielsichere, einheitliche, vom Ganzen der Volksmassen getragenen Politik unentbehrliche „Kannegießern" wurde damit unmöglich gemacht. Nur eine ganz verblendete Regierung konnte glauben, darauf verzichten zu können. Und die Folgen blieben nicht aus. Gründung eines Säuglingsrats Das furchtbare Ende, die Tatsache, daß wir heute vor einem Trümmerhaufen stehen — wahrlich — die geringen Einsparungen an Kohle, die die Verkürzung der Polizeistunde mit sich brachte — wiegen das nie und nimmer auf, und jedem einsichtigen Staatsbürger und Vaterlandsfreund muß es das Herz zusammenkrampfen, wenn er dies Plus auf der einen mit dem Minus auf der andern Seite vergleicht. All das, was an Meinungen, Ueberzeugungen, Verbesserungsvorschlägen, Kritiken, Beanstandungen zur politischen Lage etc. unterdrückt werden mußte, statt sich am abendlichen Biertisch ausleben zu können, häufte sich an in der Brust all der Biedermänner, gährte und glühte da. und wurde feurigen Vulkan, der schließlich ausbrechen mußte; lodernd, blind wütend, verheerend, von keinem braunem Naß des Maßkrugs sanft gelöscht; Ruhe und Ordnung untergrabend. Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte der Feuerzunder still gehäuft — weh, wenn an den heiligen Gewohnheiten und Talenten eines edlen Volkes kurzsichtig übermütig gerüttelt wird! Die erste Pflicht der neuen Regierung wird es denn sein, die Polizeistunde wieder zu verlängern; den Bürgern Gelegenheit zu geben, in ruhigen, behaglichen Bahnen nach alt angestammten Sitte am abendlichen Stammtisch zu den Zeitgeschehnissen Stellung zu nehmen und dem eigenen Wllien einen Ausdruck, dem berechtigten Unzufriedensein und zweifellosen Besserwissen einen unblutigen Ausgang zu verschaffen. Vor allem wird darum die neue Maßnahme der Straßenbahnverkürzung unverzüglich aufzuheben jein. Die neue Regierung, die so kraß in die Fehler der alten verfällt, ja diese noch übertrumpft, arbeitet nur der Reaktion in die Hände, und würde, auf dieser Bahn fortschreitend, nie und nimmer sich behaupten können. Und wir brauchen eine sichere, vom Vertrauen desVolkes getragene Leitung; also schnellste Abstellung dieser Uebelstände, Ermöglichung der freien, zeitlich unverkürzten Stammtischaussprache! Caretierung der eines freien Volkes würdigen Meinungskundgebungsgelegenheit ! Nur auf diesem Wege wird unser geliebtes Vaterland wieder zu Ruhe und Ordnung kommen, und unter Mitarbeit aller Volkskräfte dahin gelangen, den ihm gebührenden Platz an der Sonne wieder einzunehmen. Bessere Freidensbedingungen. * Die deutsche Vaterlandspartei, die vor Kurzem infolge „Niedergang ihres Sterns" ihre Auflösung bekannt gab, hat sich neuerdings zusammengeschlossen, um in dieser Zeit als Führerin des Volkes zu wirken. Sie will durch besonders liebevolle, aufmerksame Behandlung der noch hier weilenden Kriegsgefangenen, die Ententeregierungen zur Milderung der Waffenstillstandsbedingungen veranlassen. Es soll im neutralen Ausland ein weit verzweigter Nachrichtendienst gegründet werden, der alle Ehrungen, die den Kriegsgefangenen widerfahren, sofort zur Kenntnis der betr. Re- gierungen bringen wird. (Wir können diese Bestrebungen der deutschen Vaterlandspartei nur billigen und in den Speichelleckereien den Kriegsgefangenen gegenüber keinen Mangel an Rückgrat erkennen. Die Redaktion). Einer gegen den Andern. o. Eine hiesige Zeitung weiß am 5. Dezember zu melden, daß Dr. David gegen Eisner sei. Da nach Berichten Berliner Zeitungen der Volksbeauftragte Ebert gegen Scheidemann, letzterer wieder gegen Dr. David, dieser aber gegen Ebert, Ebert gegen Eisner und Eisner gegen alle ist, glauben wir bestimmt annehmen zu kön-nen, daß eine Einigung zwischen den Führern der verschiedenen Parteien nur noch eine Frage der Zeit sein wird. Jedenfalls sehen wir aber hierin ein Beispiel. dem das Volk nacheifern kann, wenn es zur Einigkeit gelangen will. Ein Kompromittierter. § Um zur Klärung der in letzter Zeit viel erörterten Frage, ob Herr Erzberger ein „Kompromittierter" sei oder nicht beizutragen, zitieren wir ein von ihm im „Tag" v. 5. Febr. 1915 niedergelegtes Skriptum: „Wenn man in der Lage ist, ganz London zu vernichten, so ist das humaner, als wenn man noch einen einzigen deutschen Volksgenossen auf dem Kampffelde bluten läßt. Zögern und Zaudern, Weichlichkeit und Rücksicht ist Unverzeihlichkeit, Schwäche. .. Ueber 400 Handelsschiffe hat England uns weggestohlen. Die Antwort sollte dahin gehen, daß für jedes deutsche Schiff mindestens eine englische Stadt oder ein englisches Dorf durch unsere Flugzeuge vernichtet werde. Es ist für unser Volk besser, England, Frankreich und Rußland mit all ihren Hilfsvölkern bezeichnen uns als Barbaren, als daß sie uns als Unterlegene bemitleiden würden.... Weichlichkeit und Sentimentalität im Krieg wären unverzeihliche und polizeiwidrige Dummheit. Mag der Feind alles von uns sagen, so soll er beim Friedensschluß nur nicht das eine konstatieren können, daß die Deutschen die Dummen gewesen sind." Wenn wir das Wort „kompromittiert" richtig verstehen, können wir uns dem Gezeter gegen seine Anwendung auf Herrn Erzberger nicht ganz anschließen. Geld und Saterland. 0. Eine außerordentlich interessante und lehrreiche Statistik über die Beteiligung mit Kriegsgewinn bedachter Firmen an der Zeichnung von Kriegsanleihen, für die mancher kleine Bürger seine ganzen Ersparnisse opferte, veröffentlicht die österreichische Zeitung „Reichs-Post". Die Aufstellung bezieht sich auf ungarische Firmen, doch würden wir fehlgehen, wenn wir annehmen wollten, daß die Verhältnisse bei uns anders geartet sind. Jedenfalls gibt die Statistik den Reichs-Finanzkommissionen, die allerorts ins Leben gerufen werden, wertvolle Fingerzeige, wo allenfalls zugepackt werden kann, ehe man an die Vernichtung unserer Industrien und unseres Handels durch Verstaatlichung der Privatbetriebe geht. Das Verhältnis zwischen dem erzielten Umsatz und dem Zeichnungsbetrag für die Kriegsanleihen ist bei den betreffenden Firmen folgendes: Kriegslieferungen Kr.-Anleihen Grünfeld, Komorn, Viehlieferant 48 068000 Kr. 1500 000 Kr. Pollatsek, Viehlieferant 32243 000 „ 380000 Faragol, Viehlieferant 50000 000 755 900 Reiß, Karlovac, Vieh- lieferant 30 656000 „ 700 000 Hafner, Zagreb, Vieh- lieferant 30 361000 20 000 „ Metallzentrale 12 258000 „ 550000 „ Fuchs, Heulieferant 18121 000 425 000 Glasner, Bäckerei 10 653 000 565000 „ Holzer, Konfektionär 10 569000 446 000 Orel, Droguenlieferant 14 752 000 556000 Feldwagenfabrik Galgocz 14 260 000 290000 „ Wollzentrale 13 426000 300000 „ nem der zahlreichen anderen, in unseren Tagen geschaf fenen Räte, nachstehen dürfte. (Die Redaktion). usw. usw. Gründung eines Säuglingsrates. R.T. Am Montag, den 3. Dezember, nachm. 3 Uhr tagte im Haunerschen Kinderspital eine starkbesuchte Versammlung, zwecks Gründung eines Säuglingsrats. Der Einberufer der Versammlung, Hintermeier Franzl, hielt eine Ansprache, darin er die Säuglinge aufforderte, zwecks gemeinsamer Vertretung ihrer Interessen und zur tatkräftigen Mitarbeit am Wohl des Ganzen sich zusammenzuschließen. Redner führte etwa folgendes aus: Der Säugling darf nicht länger, mit geschlossenen Augen in seinen Windeln liegend, unbeteiligt die großen Umwälzungen sich vollziehen lassen. Der Säugling muß sich als ein Mann der Tat erweisen, er muß handeln, muß eingreifen, in die Speichen des heute rapid sich drehenden Rades der Geschichte, soll er nicht darunter zermalmt werden! Es gilt schnellmöglichst gewisse Fragen zur Erörterung zu bringen, die in die intimsten Lebens-interessen des jungen deutschen Bürgers eingreifen. Der Säugling muß sich konsolidieren! Die nächsten vom Sauglingsrat vertretenen Forderungen werden sein: 1. Sofortige Freigabe aller Web- und Wirkwaren, soweit sie zur Herstellung von Windeln, Tüchern usw. in Frage kommen. 2. Vollste Schreifreiheit. 3. Trennung von Brust und Flasche. Hintermeier Franzl, Vorstand des Säuglingsrates. 4. Fühlungnahme mit dem 'Schülerrat, zwecks evtl. gemeinsamen Vorgehens in der einen oder anderen Frage. 5. Entsprechende Vertretung im Parlament. Mitglied des Säuglingsrats können alle deutschen Staatsbürger beiderlei Geschlechts, gleichviel ob ehelich oder unehelich, werden, soweit sie das Säuglingsalter erreicht haben. Die Mitglieder des Säuglingsrats verpflichten sich, zum Zeichen des revolutionären Ursprungs ihrer Gründung, den obligaten Hemd- bezw. Windelzipfel in roter Farbe sichtbar zu tragen. Schon während der Entwicklung dieses Programms machte sich einige Unruhe im Saal bemerkbar, und bei dem letzten Programmpunkt wurden von mehreren Seiten Zwischenrufe „Hoch die Monarchie!" laut. Doch gingen diese, wie sich bald herausstellte, von einer immerhin kleinen Minderheit aus, die alsbald aus dem Saal befördert werden konnte. Führer der Opposition, Fritz von Kinitreu, wurde bei dieser Gelegenheit vom Durchfall getroffen und mußte von der Rettungswache in das Gewahrsam des A.- u. S.-Rats verbracht werden. Nach diesem Zwischenfall brachte Säugling Meier Hansl den Antrag ein, eine Kommission des Säuglingsrats an Marschall Foch zu entsenden zwecks Erlangung günstiger Friedensbedingungen. Die Resolution wurde alsbald mit zweifelloser Stimmenmehrheit angenommen; gleich morgen solle der Regierung eine Immediateingabe vorgelegt werden, auf Bereitstellung von Kinderwagen zum Abtransport der Kommission. (Die Kommission ist heute bereits unterwegs. Die Redaktion). Unser der Gründungsversammlung des Säuglingsrats beiwohnender Gewährsmann warnt davor, diese neue Institution als eine von den Mindestjährigen ausgehende zu unterschätzen; er hatte vielmehr den Eindruck, daß es sich hier um eine Interessenkonsolidierung handle, die an Bedeutung und planvollem Zielbewußtsein kei- Der Feind und unsere Fahne. Am gestrigen Samstag, mittags 3 Uhr, war von sämtlichen bürgerlichen Parteien Münchens eine große Versammlung auf der Theresienwiese einberufen um Stellung zu nehmen zu der schweren, an den Nerv unseres bürgerlichen Lebens gehenden Gefahr der ange-drohten Besetzung unserer Stadt durch die Italiener. Den Ernst der Stunde und die Notwendigkeit eines geschlossenen Zusammenstehens dem drohenden Unheil gegenüber verstehend, pilgerten denn auch die Bürger Münchens in Scharen zu der Theresienwiese, und man konnte den Mienen der hier sich Versammelnden wohl ansehen, daß es nicht zu einem frohen Oktoberfestrum-mel ging — eine liebe Erinnerung, die sich angesichts der auf der Wiese abgehaltenen Versammlungen ja ganz von selbst immer wieder aufdrängen muß! Mit ernst gefurchter Stirn schritten die Männer daher. Und neben ihnen gingen die Frauen, die ja heute an dem Schicksal des Volkes verantwortlich mittragen, stumm, gedrückt... Und auch die Kinder, Knaben und Mädchen, trotteten still und die Bedeutung der Stunde voll begreifend vor den Eltern her. Selbst die Säug-linge an Mutterbrüsten blickten finster drein; eiserner Ernst furchte auch ihre Züge. Also eine ernste, bleiche Versammlung lauschte den erhebenden Worten des Vorstandes des Bürgerrats, Herrn Brauereidirektor Gotthelf Quatschmann. In ungeschminkter Rede nannte er die drohende Gefahr beim Namen. Furchtlos vor einem nahenden Feind erinnerte er in fäusteballender Erbitterung noch einmal an die Zeit von Italiens Abfall vom Dreibund. Wie wir stolz und gefaßt uns aufgerafft, und in loderndem Zorn unsere Makkaroni nur noch unter dem Namen „Treu-bruchnudeln" verzehrten, bis wir, teils dieserhalb und teils aus anderen Gründen, überhaupt keine mehr verzehrten. Dann rief Herr Quatschmann mit flammender Stimme auf, jetzt wieder in Mannesmut und Entschlossenheit vorzugehen, sich um die geliebte deutsche Fahne zu scharen. Als hierauf Zwischenrufe aus dem Publikum er-folgten: „wir haben ja noch gar keine Fahne" beantragte Redner, man solle sich zunächst über die Wahl einer solchen durch freie Aussprache und nachträgliche Abstimmung einig werden, damit eben „als ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht" das teure Banner, unter dem wir zu leben, und, wenn es sein müßte, zu sterben entschlossen sein würden — erst einmal vorhanden wäre. Durch Händehochheben billigte die Versammlung fast einstimmig diesen Vorschlag. Buntes Feuilleton. Erinnerung an Wilhelm von Hohenzollern. K.B. Mit Wehmut muß alle Anhänger des Hauses Hohenzollern ein rückerinnerndes Verteilen der Gedanken bei folgendem Ausspruch Kaiser Wilhelms aus dem Jahr 1888 erfüllen: „Es gibt Leute, die sich nicht entblöden, zu behaupten, daß mein Vater das, was er mit dem seligen Prinzen Friedrich Karl gemeinsam mit dem Schwert erkämpfte, wieder herausgeben wollte. Wir alle haben ihn zu gut gekannt, als daß wir einer solchen Beschimpfung seines Andenkens nur einen Augenblick ruhig zusehen könnten. Er hatte denselben Gedanken wie wir, daß nichts von den Errungenschaften der großen Zeit aufgegeben werden kann. Ich glaube, daß wir sowohl im dritten Armeekorps wie in der gesamten Armee wissen, daß darüber nur eine Stimme sein kann, daß wir lieber unsere gesamten 18 Armeekorps und 42 Millionen Einwohner auf der Walstatt liegen lassen, als daß wir einen einzigen Stein von dem, was mein Vater und der Prinz Friedrich Karl errungen haben, abtreten." Patrioten in Verlegenheit. - Das Wahrsage- und Kartenschlagwesen hat — eine eigentümliche Folge der Revolution — heute einen exorbitanten Aufschwung genommen. Die mehr oder weniger schicksalskundigen, mehr oder weniger häufig wegen „Gaukelei" interniert gewesenen Nornen machen Bombengeschäfte. Und zwar gehen jetzt Leute aus den besten bürgerlichen Familien bei ihnen aus und ein, um sich, bevor sie sich entschließen, Ludwigskreuz, Hoflieferantentitel etc. endgültig an den Nagel zu hängen, bestimmt zu vergewissern, daß die Zeit, aus der jene Requisiten stammen, auch wirklich unwiderruflich er ledigt ist. Andere lassen sich aus dem Handinnern oder aus den Gestirnen deuten, ob sie nun eigentlich republikanisch oder monarchisch gesinnt seien. Ein diplomatisches Heiratsgesuch, das wohl einen ganz guten Beitrag zur Charakteristik unserer früheren Auslandsvertretung liefert, findet sich in der Frankfutter Zeitung vom 28. Juli: Freund unserer Familie, Attache in hoher Position, mit größter Zukunst, große elegante Erscheinung, 30 Jahre alt, freidenkend, gesund, allererste Familie, Vater Excellenz, sucht, da keine Gesellschaften stattfinden, auf diesem Wege eine Lebensgefährtin aus bester Familie, deren Vermögen es gestattet, die Frau eines zukünftigen Botschafters zu werden. Ein Kommentar dazu erübrigt sich wohl. Theater und Musik. Eine Filmvorführung in London. In London wird, wie man uns berichtet, jetzt ein aktueller, in Deutschland aufgenommener Film gezeigt, bei dessen Aufnahme deutsche Volksgenossen gratis agierten. Es handelt sich um Szenen gelegentlich der Abreise der Zivilinternierten aus dem Lager Ruhleben welche letztere sich bei ihrer Abfahrt von Saßnitz aus, dankbar für die vier Jahre lang bewiesene Gastfreundschaft, das Vergnügen machten, der sie zum Schiff begleitenden und bestaunenden Einwohnerschaft Brocken ihrer Gnade und ihren Frühstückszwieback, wie auch Konservenbüchsen, alte Schuhe, Decken, Pfennige usw. zuzuwerfen. Die bewegten Bilder, der sich um diese Almosen raufenden Deutschen, die glücklich dankbaren Mienen jener, die einen alten Pantoffel oder dergl. ergattert hatten, sind natürlich sehr dazu angetan das Britenherz zu erfreuen, und ergeben andauernd volle Häuser in den betreffenden Kinos. Dieser Propagandafilm soll auch in Paris, Rom, New York etc. gezeigt werden. In der Bibel hat einer um ein Linsengericht seine Erstgeburt verkauft — im 20. Jahrhundert n. Chr. verkaufen deutsche Bürger um einen Heringsschwanz ihre Ehre! Kunst und Wissenschaft. Vom Künstlerrat. Es ist sehr zu begrüßen, daß auch die Künstlerschaft sich zusammengeschlossen hat, in dieser Zeit der nationalen Not, zu den brennenden Tagesfragen Stellung zu zu nehmen. Die in der gestrigen Sitzung des Künstler-rats gefaßten Beschlüsse werden zweifellos viel dazu beitragen, sobald als möglich wieder geordnete Zustände im Land herbeizuführen. Es wurden u. a. folgende Resolutionen gefaßt: Verbannung alles „Kitschs" aus den Kleinbürger-und Arbeiterwohnungen. Ausschließliche Aufführung solcher Theaterstücke, zu deren Verständnis es das Volk erst zu „erziehen" gilt. Verbot der Kinostücke, die viele unersetzliche Künstler brotlos machen. Schaffung einer künstlerischen Revolutionsplakette aus Wettbewerbswege. Gründung einer Künstlerkneipe mit zivilen Wein-preisen. Verbot des Titels „Maler" für sogenannte Maler und „Weißbinder". Organisierte Agitation gegen die Besteuerung von Kunstwerken, die nach Brot gehen. Verwendung des frei gewordenen Heeresbudgets zu Staatsankäufen von Gemälden, Plastiken, Theaterstücken etc. Dieses Programm soll auch für den Fall einer Besetzung des Landes durch die Ententemächte durchgeführt werden.

Original: Deutsch

Den ersten Vorschlag machte der Redner des Tages selbst, indem er —, zurückgreifend auf die Zeit, da schon einmal die Sehnsucht nach Einheit und Geschlossenheit alle wahren Patrioten aus Zwiespälten und Zersplitterung um eine deutsche Fahne geschart, — beantragte die glorreichen Farben der deutschen Burschenschaften neu aufleben zu lassen. „Schwarz-rot-gold, sei's Panier, darunter unser Deutschland aufs Neue wachsen, blühen und gedeihen möge!" schloß Quatschmann seinen patriotisch-historischen Exkurs, und maßloser Beifall schien seinem Vorschlag die Durchführung zu sichern. Doch blieb er nicht unwidersprochen. Herr Oberlehrer Max Besserwisser ergriff das Wort und führte aus, daß es einen circulus vitiosus darstelle, wolle man auf die alten Bundesfarben, die von den Farben des Kaiserreichs abgelöst wurden, nach dessen Niedergang wieder zurückgreifen. „Fortschritt brauchen wir", erklärte Redner in temperamentvollen Worten. „Kein Zurückschauen! Haben wir den Mut selbst und unbeeinflußt uns ein neues Haus zu bauen! Nicht Schwarz-rot-gold — nein, das Gegenteil, das direkte, d. h. unmittelbare Gegenteil, müssen wir wählen: Weiß-Blau-Silber — sei unsere Fahne. Laßt uns schwören auf Weiß-Blau-Silber, hoch unser Banner Weiß-Blau-Silber!" Allgemeiner starker Applaus wurde auch diesem Redner gezollt. Hieraus meldete sich Akademieprofessor Lorbeerruh zum Wort und erklärte, daß ein diesbezüglicher Beschluß in den Mauern Isarathens nicht gefaßt werden könne, ohne daß man die Rücksicht in Betracht ziehe, die München seinem Ruf als Kunststadt schulde. Es könne nicht nach irgend welchem historisch oder sonstwie inspirierten Gesichtspunkte allein die neue Flagge gewählt werden; vielmehr gelte es zunächst, darauf zu achten, daß die Fahne sich malerisch schön darstelle. Die Wahl komplimentär sich ergänzender Farben sei dafür die unumgängliche Voraussetzung. Ein Banner, das etwa ein expressionistisches Farbengeschrei zur Schau bringe, wäre von vorherein, wie diese und jede andere neue Kunstrichtung, ein tot geborenes Kind. So schlage er etwa als Farben des neuen Deutschlands vor: Chrom-gelb-Orange-Blauviolett oder Orange-Permanentrot-Blaugrünoxyd — weitere diesbezügliche Anregungen könne man in jedem Handbuch der Farbenlehre finden. '^kUk^W^r^W^^NteteUNgA^ Beifall. Eine junge Kunstgewerblerin, Vorsitzende des Künstlerinnenrats ergriff hierauf das Wort und schlug als einzig zeitgemäß eine gebatikte Fahne vor, die einesteils der vorauszusetzenden Unentschlossenheit und Verschwommenheit der Meinungen und Ziele ganz besonders entgegen käme, und andererseits den unbedingten Vorzug des Modernen, noch nicht Dagewesenen habe. Diese Ausführungen fanden ebenfalls allgemeine Zustimmung. Es wurden dann noch vom Vorstand der Zimmer-mannsinnung einige Vorschläge über die Ausgestaltung der ja nicht minder wichtigen Fahnenstange gemacht; ein Fabrikant patentierter Fahnenhalter ergriff ferner das Wort. Und schließlich kam man überein, die Frage der neuen Reichsfarben zunächst den einzelnen Kommissionen, Arbeiter-, Bauern-, Soldaten-, Frauen-, geistigen Arbeiter-, Künstler-, Tischler-, Säuglings-, Schüler- usw.-Räten einzeln vorzulegen, und dann noch einmal die Vertreter dieser Räte in einem geheimen Ausschuß über die Fahnenwahl abstimmen zu lassen. Als die Versammlung sich auflöste, war es bereits weit über 9 Uhr, und die Teilnehmer mußten daher zu Fuß nach Hause zurückkehren. Ein Anschlag unseres Blattes, der neue, präzisere Daten über die voraussichtliche Besetzung unserer Stadt durch die Italiener brachte, erinnerte die auf dem Rückzug Begriffenen daran, daß der eigentliche Zweck der Versammlung über der Frage der Fahnenwahl völlig in Vergessenheit geraten war. Doch gibt man sich allgemein dem Vertrauen hin, daß nach Erledigung dieser wichtigsten Frage, die noch im Laufe dieser Woche zu erwarten sein dürste, sich das andere schon finden wird. Die Italiener werden uns jedenfalls gewappnet, d. h. um unsere neue, mit deutscher Gründlichkeit, deutschem Kunstverständnis usw. gewählte geliebte Fahne geschaart finden. Hoch die zukünftige deutsche Fahne! * Richtigstellung. Die Vorwürfe des Herrn Ministerpräsidenten in der Soldatenratssitzung gegen die Presse beziehen sich, wie wir unsern Lesern mitteilen können, auf unser Blatt nicht. Zur Zeit der Veröffentlichung, die dem Herrn Ministerpräsidenten den Anlaß zu seiner abfälligen Kritik an der Münchner Presse gaben, war unser Blatt bekanntlich noch nicht gegründet. Lokales. Zukunft der Residenz. ü. München, 7. Dez. Um der durch die Verkürzung der Arbeitszeit geschaffenen Lage Rechnung zu tragen, hat der Arbeiterrat beschlossen, die Residenz in ein modernes Lichtspieltheater umzubauen. Das Theater soll den Namen „Lassalle-Kino" erhalten und rund 5000 Personen fassen. Die Regierung hat einen namhaften Betrag zur Verfilmung der Karl May'schen Romane zur Verfügung gestellt, die hier ihre Uraufführung erleben sollen. Anschließend an den Umbau der Residenz sollen auch andere Regierungs- und andere öffentliche Gebäude, wie auch die Pinakothek und das Deutsche Museum in Kinos umgewandelt werden, wogegen aus dem Glaspalast ein modernen Tanzsaal geschaffen werden soll. Der Eintritt in die neugeschaffenen Vergnügungslokale wird nur der organisierten Arbeiterschaft vorbehalten bleiben. II. Unhaltbare Zustände. Wie zum Teil schon aus änderen hiesigen Blättern bekannt, hat der zum Empfang der heimkehrenden Truppen gegründete Begrüßungsausschuß nicht recht in Tätigkeit treten können. Das Empfangskomitee, das durchwegs aus erprobten Rednern bestand, hatte dem Ereignis angepaßte, von vaterländischer Gesinnung getragene Ansprachen ausgearbeitet und einstudiert, die beim Eintreffen der Truppentransporte vorgetragen werden sollten. Der Soldatenrat untersagte jedoch das Vortragen der Reden mit der Begründung, daß die ermüdeten Krieger kein Verlangen nach solchen Gschaftlhubereien hätten. Dadurch wurde nun das Komitee, das sich tagelang auf die Gelegenheit einer patriotischen Betätigung gefreut hatte, gewissermassen überflüssig. Ohne eine Kritik an der Handlungsweise des Soldatenrats üben zu wollen, möchten wir doch fragen — waren solche Härten seitens des Soldatenrats gegenüber dem Empfangsausschuß notwendig? Durch derartige Zurücksetzungen Wird nur Groll und Zwistigkeit in die Bevölkerung getragen, die die Einigkeit, die uns heute so bitter nottut, zu gefährden angetan ist. Gleiches Recht für alle! Und was sollen andere Nationen von uns denken, wenn wir nicht einmal unsere heimkehrenden Vater-landsverteidiger mit Worten und Sprüchen begrüßen dürfen? Und was soll aus uns werden, wenn man uns, denen man schon die Möglichkeit im Landtag Reden zu schwingen, genommen hat, nunmehr selbst den Bahnhof verbietet! München im Franzosenspiegel. G. Ein französischer Offizier, der am 3./4. in einem Münchener Hotel abgestiegen war, ließ einige Tagebuchblätter liegen, die wir wie folgt in wortgetreuer Ueber-tragung bringen: ..........Ich wurde an meine schönste Zeit urbaner Liebenswürdigkeit seitens der Eingeborenen erinnert, als ich am Münchener Bahnhofplatz freundlich grinsende Gesichter auf mich zukommen sah mit dem zutraulich täppischen Rufe „Fife la Reboublick!". Ob diese guten Boches sich so rasch zu einer neuer „Kultur" durchgemausert haben, erscheint mir selbst für handfeste Bayern ein wenig fraglich. „Ein diskretes Zimmer mit Doppelbett" wird uns in unverfälschtem Bavaro-Französisch angeboten, als ob wir zu diesem Zweck hierher gekommen wären! — — Hatten wir vielleicht unseren Ruf als Geschmacksmenschen verloren? In meiner Jugendzeit habe ich in der Schule gehört, daß die Deutschen anno 70 bei ihren Besuchen französischer Städte herabgelassene Vorhänge sahen und finstere Gesichter, hier werden wir als Gäste beguckt, beinahe zu viel und so schrecklich freundlich, daß Bolineau meint, diese ausgehungerten Seelen dürsten nach einer Büchse Oelsardinen. Vor dem Rathaus erbietet sich eine nicht mehr der frühesten Jugend angehörige frühere Gouvernante von „krandes maisons", uns die Sehenswürdigkeiten zu zeigen: schließlich ist sie nach einer großen „choppe de vin rouch" so weit uns zu entlassen, nachdem wir einen Gruß an einen Mr. Schorsch vom Restaurant Duval Boulevard Montmartre mitgenommen haben. Alles will französisch reden; es sind betriebsame Leute, diese Bayern. Die Kellner sprechen uns französisch an, unsere Kameraden, die zur Besetzung kommen, brauchen keine Sprachstudien hier zu machen, es ist bequem, als Franzose international zu sein. Im Theatre National finden wir ausgezeichnete Plätze: das Publikum benimmt sich nicht als ob wir nicht, es scheint mir vielmehr als ob nur wir da wären. Alois Müller, der noch nicht weiß, wessen Partei er ergreifen soll. Cr hat sich deswegen entschlossen, sich einstweilen der liberalen Partei anzuschließen Kamerad Oliver hat seine Wette verloren, daß die Plätze leer, daß Theaterbesucher den Saal verlassen würden. Ducaillou meinte, das Herumrascheln der Blicke nach uns verspricht billets doux. Eine Dame fragte ihren Nachbar ob man beim Spielen der Marseillaise auf-stehen würde? Ich hätte gute Lust gehabt, ihr zu verraten, daß sie schon lernen würde was zu tun sei, wenn unsere Poilus einziehen und diese braven Biersäcke hinter dicken Brillen vom Trottoir aus der Marseillaise zuhören werden! Das Abendessen war reichlich und beinahe beleidigt verzichtete man auf unsere veralteten Marken. Scheinbar wird nur beim „Populo" auf Marken gegessen. Nach den letzten Briefen aus der Heimat zu urteilen, sind die Preise hier sehr erschwinglich. Unsere Leute werden sich noch etwas gedulden, bevor sie diesen unschuldigen Neurepublikanern die Liebe zu uns mittels Magenzufuhr abkaufen. Die lieben uns schon unserer schönen Augen willen und wenn ich Herr Clemenceau einen Wink geben könnte...... Hier bricht das Tagebuch ab. Es bleibt uns nur übrig, mit unseren braven Landsleuten stolz in den Ruf auszubrechen „Fife la Reboublick!" Zur Linderung der Wohnungsnot wurde in letzter Magistratssitzung der Antrag eingebracht, die Trambahnwagen der Wohnungsfürsorge zur Verfügung zu stellen. Die Mietpreise sollen niedrig bemessen werden, um möglichst den breitesten Volksschichten die Benützung dieser Wohngelegenheit zugänglich zu machen. Nach Vorschlag des betr. Referenten wird es möglich sein, einen Eckplatz schon um eine Mark für die Nacht zu vermieten. Der Verkehr der Trambahn soll daher vom 15. Dez. ab nur noch Vormittags zwischen 9 und 10 Uhr durchgeführt werden, und zwar zur Lüftung der Wagen. Aus der zu erwartenden beträchtlichen Mieteinnahme beabsichtigt der Magistrat große Mengen von Marmelade einzukaufen, die anläßlich der kommenden Friedensverhandlungen der Bevölkerung um den Mund geschmiert werden soll. Verteilung von Lebensmitteln. R. München, 8. Dez. Die hiesige Lebensmittelkommission hat von den im kaiserlichen Schloß in Berlin beschlagnahmten Vorräten größere Mengen vom Reichsernährungsamt zugewiesen bekommen, die sie in den nächsten Tagen an die Einwohnerschaft zur Verteilung bringen wird. Es gelangt auf Marke G zur Herausgabe: 5 Pfund Schmalz 1250 Gramm ff. Tafelbutter Schinken 20 Büchsen Oelsardinen 3 Stck. franz. Seife Schwerarbeiter erhalten die doppelte Ration und außerdem einen freien Tag. 2-Stunden-Arbeitstag. In einer gut besuchten Versammlung im Löwenbräukeller hielt gestern Gewerkschaftssekretär Nixtu einen Vortrag über den projektierten zweistündigen Arbeitstag. In temperamentvoll fesselnden Ausführungen entwickelte er die Theorie von der Disproportionalität von Arbeitszeit und Arbeitsleistung; nämlich: je kürzer die Arbeitszeit, um so größer die Arbeitsleistung. Die Arbeitskraft stelle gleichsam eine konstante Energiemenge dar, die temperär steigern zu wollen sein müssiges Unterfangen wäre. Redner gebrauchte den geistreichen, einleuchtenden Vergleich der Arbeitskraft mit einer elektrischen Batterie, die eine Stunde lang eine 100 Voltlampe zu speisen fähig wäre; wolle man ihre Rote Hand Energie aber zehn Stunden ausbeuten in dieser Zeit höchstens eine Stromstärke von 10 Volt liefern könne. Als schlagenden Beweis für die Unhaltbarkeit gegen-teiliger Behauptungen, die ein direktes Verhältnis zwischen Erhöhung von Arbeitszeit und Arbeitsleistung konstruiren wollen, verwies der Redner auf die nicht-wegzudiskurierende Tatsache des Vorhandenseins zahlreicher Rentiers, Privatiers etc., die bei einem Minimum von angewandter Arbeitszeit oft ganz ausgezeichnete Arbeitserfolge auszuweisen hätten! In der dem beifällig aufgenommenen Vortrag folgenden Aussprache wurden einige sehr wertvolle weitere Vorschläge zur Reform des Arbeitsverhältnisses gemacht. Besonders leuchtete der Versammlung der Antrag ein, die nunmehr freiwerdenden Militärautomobile der Arbeiterschaft für den Weg zu und von den Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen. Eine dahingehende Vorlage wird demnächst dem Verkehrsministerium unterbreitet werden. Ferner wurde ein begeisterter Beifall erzielt mit der Anregung, daß diejenigen Fabrikanten, die auch weibliche Arbeitskräfte beschäftigen, neben der obligaten Frühstückspause für eine Tanzmöglichkeit zu sorgen hätten; eine Verfügung, die auch im Interesse der Arbeitgeber läge, insofern dadurch Energien in den Arbeitern beiderlei Geschlechts gelöst würden, die einer Intensivierung der Arbeit sehr zu statten kämne. Zum Schluß wurde einstimmung eine Entschließung angenommen, wonach die Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, künftig den Arbeitern pränumerando das Gehalt auszubezahlen, in Anbetracht dessen, daß im Zusammenhang mit der Neuregelung der Arbeitszeit etc. die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen sei, daß die Arbeitgeber unter Umständen nachträglich zur Auszahlung der Löhne nicht mehr in der Lage sein dürften. Wo bleibt die Milch? In der vergangenen Woche fand, wie wir hören, ein lustiger Ausflug „mit Damen" veranstaltet vom Münchner Soldatenrat statt, dessen Clou ein friedensgemäßes Picknick bildete, aus welchem Anlaß ein großer Teil der für die Münchner Bevölkerung bestimmten Milch beschlagnahmt wurde. Es sind gewiß den tapferen Vaterlandsverteidigern ihre harmlosen Vergnügungen von Herzen zu gönnen; doch sehen wir nicht ein, weshalb sie gerade Milchorgien feiern müssen, während zahllose Kranke und Kinder vergebens um ihre Ration Milch anstehen, resp. schreien müssen. Die Herren vom Soldatenrat sollten doch so viel Einsicht haben, anzuerkennen, daß die Bevölkerung von der „Milch der frommen Denkart" allein nicht exi stieren kann und nicht durch derartige Uebergriffe dazu beitragen, daß die letztere sich in „gährend Drachengift" verwandle! Pressefreiheit In welchem Maaße unsere Presse von der gewährten Pressefreiheit Gebrauch macht, haben die ausführlichen Referate gezeigt, die sie über die Gründung des Münchener Schülerrates brachte. Umsomehr befremdet uns das wenig kollegiale Verhalten einiger hiesiger liberaler Blätter, die sich sonst sehr leicht in alles dreinfinden, unserem Blatte gegenüber Die von uns zur rechtzeitigen Ankündigung unseres Blattes aufgegebenen Anzeigen wurden von diesen Zeitungen nicht veröffentlicht. Ist das Freiheit? Ist das Einigkeit? Ist das Brüderlichkeit? Letzte Nachrichten. Deutsche Volkspartei. Kurz vor Redaktionsschluß erhalten wir die Nachricht von der Gründung einer mächtigen Deutschen Volkspartei. In Aufrufen an die Bürgerschaft, in der M. N. N. vom 7. Dezember entwickelt sie ihr Programm, das an erster Stelle die vielversprechende Mitteilung enthält, daß die Deutsche Volkspartei bald nach links, bald nach rechts gehen werde. Wir beglückwünschen die neue Partei und empfehlen ihr. dazu das schöne Lied zu singen: „Grad aus dem Wirtshaus komm ich heraus . . ." Handelszeitung Vorschläge zur Wirtschaftspolitik. S.M. Nach dem Muster der in Berlin tagenden Finanzkommission, welche über die Verstaatlichung sämtlicher Betriebe berät, um daraus die nötigen Mittel für die Verzinsung der Kriegsschulden zu gewinnen, soll, wie wir hören, auch in Bayern ein Rat aus ideenreichen Finanzpolitikern ins Leben gerufen werden, dessen Aufgabe es sein wird, Mittel und Wege zur Sanierung der bayerischen Wirtschaftsverhältnisse ausfindig zu machen. Ohne den Beschlüssen dieses Finanzrats irgendwie vorgreifen zu wollen, möchten wir der Regierung einige Vorschläge unterbreiten, die den Vorzug besonders leichter Durchführbarkeit haben, und uns bei umsichtiger Anwendung sehr ertragreich zu sein scheinen. erster Linie ließe sich das allen Münchnern so vertraute Glockenspiel am Marienplatz in den vaterländischen Dienst stellen. Von den vielen kunstsinnigen Zuhörern, die täglich vormittags bei dem Glockenspiel zusammenströmen, ließe sich durch sammeln nach unserer Berechnung täglich eine recht erkleckliche Summe zusammenbringen. Diese könnte ins Ungemessene gestei gert werden, wenn der Magistrat sich dazu entschließen würde, das Glockenspiel ohne Unterbrechung den ganzen Tag spielen zu lassen. Bei Nacht könnte vielleicht mit Doppeltaxe gearbeitet werden. Das goldne Münchner Herz würde gewiß auch hier nicht versagen. Der Ertrag wäre mit vielen Millionen im Jahr sicher nicht zu hoch veranschlagt. Eine weitere Einnahmequelle bestünde in der Veranstaltung von öffentlichen Rennen der Soldatenratsautomobile in den Straßen der inneren Stadt. Durch Errichtung von Tribünen an beiden Seiten der Straßen, die zu angemessenen Preisen vermietet würden, könnten ebenfalls nahmhafte Beträge hereingebracht werden. Wenn man das besondere Interesse kennt, welches das Münchner Publikum den militärischen Rennfahrern ent-gegenbringt, könnte auch hier mit einem Ertrag von mehreren Milliarden gerechnet werden. Ebenso gäben auch regelmäßig veranstaltete Revolutionsfeiern, mit Glückshäfen und Vertrieb roter Kornblumen, Razzien in solchen Gaststätten, in denen Glücksspiele geduldet werden, wie auch vom Militär vorgenommene Haussuchungen gewiß recht nennenswerte Ueberschüsse, die sich ebenfalls auf mehrere Milliarden im Jahr beziffern würden. Die Papierknappheit gestattet uns nicht noch weitere Anregungen in dieser Richtung zu geben, wir behalten uns aber vor, zu geeigneter Zeit weitere Vorschläge zu veröffentlichen. Sport am Sonntag. Berlin. Schießsport. Am letzten Sonntag veranstaltete der Soldatenrat Großberlins ein glänzend verlaufenes Preisschießen unter den Linden. Als Zielscheibe dienten flüchtende Kasfeehausbesucher. Das Ergebnis war außerordentlich zufriedenstellend. Auf der Straße blieben 115 Tote und 387 Verwundete. Schulze II vom 527. Pionier-Btl. errang bei dem Hauptereignis des Tages, dem Großen Liebknecht-Maschinengewehrschießen mit 17 Punkt (9 Tote — 8 Verwundete) den ersten Preis. Zweiter wurde Schmitz-Köln. Totalisator 97. Platz 15, 37. 205—10. N. München, 8. Dez. Am nächsten Donnerstag veranstaltet der Bürgerausschuß in ganz Bayern eine Wetteinberufung von Protestversammlungen. Bis heute haben sich 501 830 Redner gemeldet. Nennungsschluß Mittwoch, Abends 7 Uhr. Der Sport verspricht recht interessant zu werden. Wir werden über den Verlauf dieses ereignisreichen Tages berichten. Wetterbericht. — Von unserer polit. Sternwarte: Morgen und in nächsten Tagen wolkig, bedeckt und dreckig. Starke Depression. Langsame Aufklärung, jedoch nicht von langer Dauer. Redaktion und Verlag: Ost-Petersen, München 2 Druck: Graphische Kunstanstalt Franz Mondrion, Sendlingerstr. 29 Amtliche Bekanntmachung. Die diesseitige Regierung gibt in Ergänzung ihres Erlasses vom 25. 11. d. J. betreffs gesteigerten Wildabschuß bekannt, daß sämtliche von der Bevölkerung in Pflege gehaltenen Tiere soweit für solche keine Steuern entrichtet werden, ebenfalls unter diese Verordnung fallen. Insbesondere gehören hierzu alle Arten von Hasen, mit Ausnahme der Zweibeinigen und solcher, die sich in Berlin politisch betätigen. Im Namen der Regierung: Ein gewisser Herr Arnold. Bekanntgabe. Allen meinen Freunden, Bekannten u. einer verehrlichpn Nachbarschaft sowie meiner geehrten Kundschaft teile erge-benst mit, daß ich vom nächsten Ersten wieder die frühere aufmerksame Bedienung mit Beehrn' S' mich wieder einführen werde. Ich bitte die Anhänglichkeit von 1914 mir wieder zuzuwenden. Creszens Millibauer 1. Münchener Molkerei. Schleichhändler im U-Bootverkehr versiert, sucht zeitgemäße Anstellung für den Ausbau der bewährten Methoden des modernen Han- delsverkehrs. Tirpiz, _______Villa Wilhelmsruh, Luzern. 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